Der Frankfurter Kunstverein lud am 27.04.2019 ein zu seiner 141. Exkursion, die diesmal nach Berlin in den Hamburger Bahnhof führte. Ich fuhr als Nicht-Mitglied mit und habe dort mehrere Ausstellungen besichtigt. Alle hier veröffentlichten Texte fand ich auf der Museums-Homepage.
Ausstellung 1
Emil Nolde
12.04. bis 15.09.2019
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin
Der Expressionist Emil Nolde ist der wohl berühmteste "entartete" Künstler: von keinem anderen Künstler wurden so viele Arbeiten beschlagnahmt, keine anderen Werke hingen so prominent auf den ersten Stationen der Ausstellung Entartete Kunst von 1937/38. Wie passen Noldes Verfemung und sein Berufsverbot zu unserem Wissen, dass er NS-Parteimitglied war und bis zum Kriegsende den Glauben an das nationalsozialistische Regime nicht verlor? Der Kunstkritiker Adolf Behne hob auf Noldes speziellen Fall ab, indem er ihn zum 80. Geburtstag 1947 pointiert als „entarteter ‚Entarteter‘“ bezeichnete. Dass Emil Nolde ein Parteimitglied war, ist seit langem bekannt. Aber was dies mit seiner Kunst zu tun hat, und wie sich die historischen Umstände des Nationalsozialismus auf sein Kunstschaffen ausgewirkt haben, ist bisher noch nie umfassend in einer Ausstellung untersucht worden.
Die Ausstellung Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus beruht auf den Ergebnissen eines langjährigen wissenschaftlichen Forschungsprojekts, das erstmals die umfangreichen Bestände des Nolde-Nachlasses in Seebüll auswerten konnte und dabei so viel Neues zu Tage brachte, dass die hergebrachte Nolde-Erzählung revidiert werden muss. So wird die Ausstellung zum Beispiel die berühmten „Ungemalten Bilder” – die kleinformatigen Aquarelle, die Nolde angeblich während der Zeit seines Berufsverbots heimlich in Seebüll malte – in einem ganz neuen Licht präsentieren und als Teil einer langjährigen Praxis der Selbststilisierung erklären. Wie wichtig diese Selbststilisierung ist – und wie stark sie unseren Blick auf Nolde beeinflusst – wird den Besuchern durch eine Rekonstruktion des Bildersaals in Noldes Atelierhaus in Seebüll vor Augen geführt. Diese Rekonstruktion zeigt die Hängung von Gemälden und Aquarellen, wie sie der alte Künstler im Kriegswinter 1941/42 selbst vornahm. Mit über 100 teilweise bislang nicht gezeigten Originalen, die mit Bezug auf Noldes Schriften und im Kontext ihrer historischen Entstehungsumstände präsentiert werden, möchte die Ausstellung die vielschichtigen Beziehungen zwischen Bildern, Selbstinszenierungen des Künstlers, Verfemung und Legendenbildung aufzeigen: Wie wirkte sich das ‚Dritte Reich’ auf Emil Noldes künstlerisches Werk aus? Inwiefern korrespondieren einige seiner Werke, beispielsweise seine Darstellungen mythischer Opferszenen oder nordischer Menschen, mit seinen Sympathien für das Regime? Welche Auswirkungen hatten die Diffamierung und das Berufsverbot auf Noldes künstlerische Praxis, und auf seine politische Einstellung? Und wie entstanden die Nolde-Mythen der Nachkriegszeit?
Für die Ausstellung konnten die Kuratoren erstmals unbeschränkt auf das Archiv der Seebüller Nolde Stiftung mit 25.000 bis 30.000 Dokumenten zugreifen. "Wir setzen ein mit dem Nolde-Kult vor 1933 und enden mit dem nach 1945", so die Historiker. Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse und der Auswertung des Nolde-Nachlasses revidiert die Ausstellung das bisherige Bild des Künstlers. Zugleich erzählt sie die Rezeption des Künstlers in der Nachkriegszeit, die von ihm zu Lebzeiten eifrig befördert wurde, als eine Geschichte der Verdrängung - bis hin zur Fiktionalisierung von Noldes Selbstbild in Siegried Lenz' Roman "Die Deutschstunde".
In der Ausstellung wird auch Noldes Gemälde "Brecher" von 1936 gezeigt. Das Bild hing mit "Blumengarten (Thersens Haus)" als Leihgabe im Arbeitszimmer von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie ließ nicht nur den "Brecher" für die Ausstellung von der Wand nehmen, sondern gab auch gleich den "Blumengarten" ab. Beide Bilder wollte sie nicht zurück, eine Begründung dafür gab es nicht.
Der Künstler schuf seinen eigenen Heldenkult
Das letzte Kapitel der Ausstellung behandelt den Nolde-Kult nach 1945, dessen Biografie nicht zuletzt auch durch die Nolde-Stiftung in Seebüll, die den Nachlass hütet, zur Heldenerzählung wird. Umso verdienstvoller ist es, dass die Stiftung mehr als 50 Jahre nach Noldes Tod die umfangreichen Forschungen zu seiner widersprüchlichen Rolle im Nationalsozialismus und in der Kunst beförderte. Man wolle Nolde und seine Kunst künftig frei von Mythen und Legenden mit allen Widersprüchen präsentieren, unterstreicht Direktor Christian Ring die neue Haltung.
Die Beurteilung seiner Kunstwerke wollen die Kuratoren den Betrachtern überlassen. Die Ausstellung sensibilisiert für ein differenziertes Bild eines Künstlers, der auch weiterhin zu den Ikonen des Expressionismus gehört, dessen Werk und Biografie jedoch deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit all ihren Facetten widerspiegelt.
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Ausstellung 1
Emil Nolde
12.04. bis 15.09.2019
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin
Der Expressionist Emil Nolde ist der wohl berühmteste "entartete" Künstler: von keinem anderen Künstler wurden so viele Arbeiten beschlagnahmt, keine anderen Werke hingen so prominent auf den ersten Stationen der Ausstellung Entartete Kunst von 1937/38. Wie passen Noldes Verfemung und sein Berufsverbot zu unserem Wissen, dass er NS-Parteimitglied war und bis zum Kriegsende den Glauben an das nationalsozialistische Regime nicht verlor? Der Kunstkritiker Adolf Behne hob auf Noldes speziellen Fall ab, indem er ihn zum 80. Geburtstag 1947 pointiert als „entarteter ‚Entarteter‘“ bezeichnete. Dass Emil Nolde ein Parteimitglied war, ist seit langem bekannt. Aber was dies mit seiner Kunst zu tun hat, und wie sich die historischen Umstände des Nationalsozialismus auf sein Kunstschaffen ausgewirkt haben, ist bisher noch nie umfassend in einer Ausstellung untersucht worden.
Die Ausstellung Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus beruht auf den Ergebnissen eines langjährigen wissenschaftlichen Forschungsprojekts, das erstmals die umfangreichen Bestände des Nolde-Nachlasses in Seebüll auswerten konnte und dabei so viel Neues zu Tage brachte, dass die hergebrachte Nolde-Erzählung revidiert werden muss. So wird die Ausstellung zum Beispiel die berühmten „Ungemalten Bilder” – die kleinformatigen Aquarelle, die Nolde angeblich während der Zeit seines Berufsverbots heimlich in Seebüll malte – in einem ganz neuen Licht präsentieren und als Teil einer langjährigen Praxis der Selbststilisierung erklären. Wie wichtig diese Selbststilisierung ist – und wie stark sie unseren Blick auf Nolde beeinflusst – wird den Besuchern durch eine Rekonstruktion des Bildersaals in Noldes Atelierhaus in Seebüll vor Augen geführt. Diese Rekonstruktion zeigt die Hängung von Gemälden und Aquarellen, wie sie der alte Künstler im Kriegswinter 1941/42 selbst vornahm. Mit über 100 teilweise bislang nicht gezeigten Originalen, die mit Bezug auf Noldes Schriften und im Kontext ihrer historischen Entstehungsumstände präsentiert werden, möchte die Ausstellung die vielschichtigen Beziehungen zwischen Bildern, Selbstinszenierungen des Künstlers, Verfemung und Legendenbildung aufzeigen: Wie wirkte sich das ‚Dritte Reich’ auf Emil Noldes künstlerisches Werk aus? Inwiefern korrespondieren einige seiner Werke, beispielsweise seine Darstellungen mythischer Opferszenen oder nordischer Menschen, mit seinen Sympathien für das Regime? Welche Auswirkungen hatten die Diffamierung und das Berufsverbot auf Noldes künstlerische Praxis, und auf seine politische Einstellung? Und wie entstanden die Nolde-Mythen der Nachkriegszeit?
Für die Ausstellung konnten die Kuratoren erstmals unbeschränkt auf das Archiv der Seebüller Nolde Stiftung mit 25.000 bis 30.000 Dokumenten zugreifen. "Wir setzen ein mit dem Nolde-Kult vor 1933 und enden mit dem nach 1945", so die Historiker. Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse und der Auswertung des Nolde-Nachlasses revidiert die Ausstellung das bisherige Bild des Künstlers. Zugleich erzählt sie die Rezeption des Künstlers in der Nachkriegszeit, die von ihm zu Lebzeiten eifrig befördert wurde, als eine Geschichte der Verdrängung - bis hin zur Fiktionalisierung von Noldes Selbstbild in Siegried Lenz' Roman "Die Deutschstunde".
In der Ausstellung wird auch Noldes Gemälde "Brecher" von 1936 gezeigt. Das Bild hing mit "Blumengarten (Thersens Haus)" als Leihgabe im Arbeitszimmer von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie ließ nicht nur den "Brecher" für die Ausstellung von der Wand nehmen, sondern gab auch gleich den "Blumengarten" ab. Beide Bilder wollte sie nicht zurück, eine Begründung dafür gab es nicht.
Der Künstler schuf seinen eigenen Heldenkult
Das letzte Kapitel der Ausstellung behandelt den Nolde-Kult nach 1945, dessen Biografie nicht zuletzt auch durch die Nolde-Stiftung in Seebüll, die den Nachlass hütet, zur Heldenerzählung wird. Umso verdienstvoller ist es, dass die Stiftung mehr als 50 Jahre nach Noldes Tod die umfangreichen Forschungen zu seiner widersprüchlichen Rolle im Nationalsozialismus und in der Kunst beförderte. Man wolle Nolde und seine Kunst künftig frei von Mythen und Legenden mit allen Widersprüchen präsentieren, unterstreicht Direktor Christian Ring die neue Haltung.
Die Beurteilung seiner Kunstwerke wollen die Kuratoren den Betrachtern überlassen. Die Ausstellung sensibilisiert für ein differenziertes Bild eines Künstlers, der auch weiterhin zu den Ikonen des Expressionismus gehört, dessen Werk und Biografie jedoch deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit all ihren Facetten widerspiegelt.
Ausstellung 2
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions
16.11.2018 bis 12.05.2019
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin
Eine Ausstellung von Antje Majewski mit Agnieszka Brzezanska & Ewa Ciepielewska, Carolina Caycedo, Pawel Freisler, Olivier Guesselé-Garai, Tamás Kaszás, Paulo Nazareth, Guarani-Kaiowa & Luciana de Oliveira, Issa Samb, Xu Tan, Hervé Yamguen
Kann eine Muschel mir ein Lied vorsingen? Kann ein Mensch eine Schlange sein? Kann ein Baum meine Mutter oder mein Vater sein? Kann ich mich mit einem Fluss unterhalten? Kann ein Huhn mir helfen, mit meinen Vorfahren zu sprechen? Gibt es Menschen, die wie Vögel singen können? Kann mein Apfelbaum mich um Hilfe bitten? Können mir Waldtiere zeigen, wie ich überleben kann? Kann ich Insekten auf einer Brache inmitten der Großstadt zuhören?
Die kollaborativ und transdisziplinär arbeitende Künstlerin Antje Majewski (geb. 1968 in Marl, Deutschland) hat Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Kamerun, Polen, dem Senegal und Ungarn eingeladen, sich auf poetische Weise mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Lebewesen auseinanderzusetzen. Diese Interaktionen sind Thema der Ausstellung im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.
Das Projekt und sein Titel entwickelten sich aus einem Gespräch zwischen Antje Majewski und dem senegalesischen Maler, Bildhauer, Performancekünstler, Dramatiker und Dichter Issa Samb unter den Bäumen seines Hofs in Dakar. Leider leben heute Issa Samb ebenso wie seine Bäume nicht mehr, doch das Gespräch setzte einen Prozess, eine gemeinsame Untersuchung in Gang. Es war der Beginn von Begegnungen, Reisen und Diskussionen zwischen Majewski und den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern.
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions (Wie man mit Vögeln, Bäumen, Fischen, Muscheln, Schlangen, Bullen und Löwen spricht) nimmt die Interaktionen von KünstlerInnen mit bedrohten Orten, Gemeinschaften und Lebenswelten zum Ausgangspunkt. Die gezeigten Arbeiten konzentrieren sich auf konkrete Orte, die zerstört oder verändert wurden oder ernsthaft gefährdet sind – durch kapitalistische oder kolonialistische Eingriffe oder andere durch Menschen verursachte Schäden. Videoarbeiten, raumgreifende Installationen, Skulpturen, Manifeste, Gedichte, Fotografien, Zeichnungen und Gemälde zeigen empfindliche sozial-ökologische Systeme, von denen Menschen immer ein Teil sind. Die KünstlerInnen sprechen Positionen aus, die sich im Widerspruch zur heute vorherrschenden Art des Umgangs mit der Umwelt befinden: von feministischen, dekolonialisierenden, oder situationistischen Standpunkten aus, und mit Vorschlägen für ein radikal antikapitalistisches Zusammenleben von Menschen, anderen Lebewesen und Materie.
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions
16.11.2018 bis 12.05.2019
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin
Eine Ausstellung von Antje Majewski mit Agnieszka Brzezanska & Ewa Ciepielewska, Carolina Caycedo, Pawel Freisler, Olivier Guesselé-Garai, Tamás Kaszás, Paulo Nazareth, Guarani-Kaiowa & Luciana de Oliveira, Issa Samb, Xu Tan, Hervé Yamguen
Kann eine Muschel mir ein Lied vorsingen? Kann ein Mensch eine Schlange sein? Kann ein Baum meine Mutter oder mein Vater sein? Kann ich mich mit einem Fluss unterhalten? Kann ein Huhn mir helfen, mit meinen Vorfahren zu sprechen? Gibt es Menschen, die wie Vögel singen können? Kann mein Apfelbaum mich um Hilfe bitten? Können mir Waldtiere zeigen, wie ich überleben kann? Kann ich Insekten auf einer Brache inmitten der Großstadt zuhören?
Die kollaborativ und transdisziplinär arbeitende Künstlerin Antje Majewski (geb. 1968 in Marl, Deutschland) hat Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Kamerun, Polen, dem Senegal und Ungarn eingeladen, sich auf poetische Weise mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Lebewesen auseinanderzusetzen. Diese Interaktionen sind Thema der Ausstellung im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.
Das Projekt und sein Titel entwickelten sich aus einem Gespräch zwischen Antje Majewski und dem senegalesischen Maler, Bildhauer, Performancekünstler, Dramatiker und Dichter Issa Samb unter den Bäumen seines Hofs in Dakar. Leider leben heute Issa Samb ebenso wie seine Bäume nicht mehr, doch das Gespräch setzte einen Prozess, eine gemeinsame Untersuchung in Gang. Es war der Beginn von Begegnungen, Reisen und Diskussionen zwischen Majewski und den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern.
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions (Wie man mit Vögeln, Bäumen, Fischen, Muscheln, Schlangen, Bullen und Löwen spricht) nimmt die Interaktionen von KünstlerInnen mit bedrohten Orten, Gemeinschaften und Lebenswelten zum Ausgangspunkt. Die gezeigten Arbeiten konzentrieren sich auf konkrete Orte, die zerstört oder verändert wurden oder ernsthaft gefährdet sind – durch kapitalistische oder kolonialistische Eingriffe oder andere durch Menschen verursachte Schäden. Videoarbeiten, raumgreifende Installationen, Skulpturen, Manifeste, Gedichte, Fotografien, Zeichnungen und Gemälde zeigen empfindliche sozial-ökologische Systeme, von denen Menschen immer ein Teil sind. Die KünstlerInnen sprechen Positionen aus, die sich im Widerspruch zur heute vorherrschenden Art des Umgangs mit der Umwelt befinden: von feministischen, dekolonialisierenden, oder situationistischen Standpunkten aus, und mit Vorschlägen für ein radikal antikapitalistisches Zusammenleben von Menschen, anderen Lebewesen und Materie.
Ausstellung 3
Andreas Mühe
Mischpoche
26.04. - 11.08.2019
Hamburger Bahnhof
Museum für Gegenwart - Berlin
Andreas Mühe (geb. 1979, Chemnitz, vormals Karl-Marx-Stadt, lebt in Berlin) wurde international bekannt durch seine Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und Identität. Seinen Fotografien, die er ausschließlich analog herstellt, ist oftmals eine Ambivalenz, fast düstere Andeutung, inhärent, die auf die nicht mehr sichtbaren aber noch immer spürbaren Folgen der deutschen Geschichtsschreibung verweisen. Die sorgsam konzipierten Bildkompositionen suggerieren dabei eine gewisse Verwandtschaft zu Theater und Inszenierung. Die Nähe zu Schauspiel, Bühne und Film erschließt sich unter anderem aus Mühes persönlicher Biografie; sein Vater war der bekannte Schauspieler Ulrich Mühe, seine Mutter ist die renommierte Theaterintendantin Annegret Hahn. Diese beiden Persönlichkeiten, Mühes engste familiäre Bande, gemeinsam mit weiteren Verwandtschaftsmitgliedern, bilden die Protagonisten seiner für den Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin konzipierten neuen Werkserie. In zwei großformatigen fotografischen Familienportraits vereint Mühe die lebenden wie verstorbenen Mitglieder seiner Familie, mütterlicher- und väterlicherseits. Die bereits verstorbenen Personen ließ er, von Fotovorlagen ausgehend, in einem komplexen und intensiven Produktionsprozess als verblüffend lebensecht anmutende Skulpturen nachbilden.
Es offenbart sich hierbei eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den innerfamiliären Geflechten der Familie Mühe, die – berufsbedingt – teilweise auch ein Leben in der Öffentlichkeit führten. Der psychologisch, sozial geladene Aspekt des Familienbildes steht gleichzeitig einer kunsttheoretischen Abhandlung gegenüber. Denn Mühes künstlerischer Prozess von Fotografie als Ausgangsmaterial, zu plastischen Nachbildungen in Form von Skulpturen, und schlussendlich zu einer choreografierten Gruppierung, an dessen Ende ein fotografisches Familienportrait steht, macht die ambivalente Bedeutung von Fotografie – zwischen Wahrheit und Konstruktion – überdeutlich. Persönliche Geschichte, soziale und gesellschaftliche Verhältnisse sowie künstlerische Tradition vereinen sich zum Portrait einer Familie, dem Zeit- wie Kunstgeschichte tief eingeschrieben sind.
Andreas Mühe
Mischpoche
26.04. - 11.08.2019
Hamburger Bahnhof
Museum für Gegenwart - Berlin
Andreas Mühe (geb. 1979, Chemnitz, vormals Karl-Marx-Stadt, lebt in Berlin) wurde international bekannt durch seine Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und Identität. Seinen Fotografien, die er ausschließlich analog herstellt, ist oftmals eine Ambivalenz, fast düstere Andeutung, inhärent, die auf die nicht mehr sichtbaren aber noch immer spürbaren Folgen der deutschen Geschichtsschreibung verweisen. Die sorgsam konzipierten Bildkompositionen suggerieren dabei eine gewisse Verwandtschaft zu Theater und Inszenierung. Die Nähe zu Schauspiel, Bühne und Film erschließt sich unter anderem aus Mühes persönlicher Biografie; sein Vater war der bekannte Schauspieler Ulrich Mühe, seine Mutter ist die renommierte Theaterintendantin Annegret Hahn. Diese beiden Persönlichkeiten, Mühes engste familiäre Bande, gemeinsam mit weiteren Verwandtschaftsmitgliedern, bilden die Protagonisten seiner für den Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin konzipierten neuen Werkserie. In zwei großformatigen fotografischen Familienportraits vereint Mühe die lebenden wie verstorbenen Mitglieder seiner Familie, mütterlicher- und väterlicherseits. Die bereits verstorbenen Personen ließ er, von Fotovorlagen ausgehend, in einem komplexen und intensiven Produktionsprozess als verblüffend lebensecht anmutende Skulpturen nachbilden.
Es offenbart sich hierbei eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den innerfamiliären Geflechten der Familie Mühe, die – berufsbedingt – teilweise auch ein Leben in der Öffentlichkeit führten. Der psychologisch, sozial geladene Aspekt des Familienbildes steht gleichzeitig einer kunsttheoretischen Abhandlung gegenüber. Denn Mühes künstlerischer Prozess von Fotografie als Ausgangsmaterial, zu plastischen Nachbildungen in Form von Skulpturen, und schlussendlich zu einer choreografierten Gruppierung, an dessen Ende ein fotografisches Familienportrait steht, macht die ambivalente Bedeutung von Fotografie – zwischen Wahrheit und Konstruktion – überdeutlich. Persönliche Geschichte, soziale und gesellschaftliche Verhältnisse sowie künstlerische Tradition vereinen sich zum Portrait einer Familie, dem Zeit- wie Kunstgeschichte tief eingeschrieben sind.
Ausstellung 4 Der Elefant im Raum Skulpturen aus der Sammlung Marx und der Sammlung der Nationalgalerie 01.11.2018 - 08.09.2019 | Ausstellung 5 LOCAL HISTORIES 15.12.2018 - 29.09.2019 |
(Frankfurter Kunstverein e.V.):